Mareike Peters

(Video ganz unten auf der Seite)

Die Bilder zeigen Mareike Peters im Trainingslager in Portugal mit Weltklassesprinter Frankie Fredericks (u.a. Weltmeister über 200 m), Nationalstaffelkollegin Jala Gangnus  (LG Weserbergland) sowie der Europameisterin Verena Sailer (MTG Mannheim)

und als Deutsche Meisterin über 200 m 2009 in Nürnberg.

Die Grundlagen der Kinderleichtathletik wurden Mareike noch von Abteilungsgründer und Trainer Wilfried Bergmann vermittelt. Nach dessen schwerer Erkrankung übernahm Trainer Michael Mücher die damals Zwölfjährige und verlegte sich mit der äußerst vielseitigen Schülerin auf den Mehrkampf, der einen soliden Boden für die spätere Weiterentwicklung der bereits erkennbaren großen Sprintbegabung bereitete. Im Blockwettkampf Wurf ( 100 m, 80 m Hürd., Weitsprg., Kugel, Diskus) gewann die zierliche Georgsheilerin alles, was es zu gewinnen gab. Höhepunkt des seinerzeitigen Wettkampfeinsatzes war der jeweils dramatische Wettkampfverlauf bei den beiden Deutschen Schülermehrkampfmeisterschaften im Jahr 2000 in Vaterstetten (bei München) und 2001 in Rhede (Niederrhein), die Mareike am Ende für sich entscheiden konnte. 2002 wechselte Mareike zum Leichtathletik-Großverein TSV Bayer Leverkusen.

Diese Geschichte und die ihrer weiteren Erfolge erzählt viel besser Günter Müller vom Leverkusener Anzeiger, dessen Story anlässlich der Olympia Teilnahme von Mareike Peters wir dankenswerterweise übernehmen durften.

Mareike Peters

Die Zurückhaltende

Von Günter Müller, 20.08.08, 12:30h

Der „Leverkusener Anzeiger“ stellt Sportler vor, die an den Olympischen Spielen teilnehmen. Mareike Peters, die Sprinterin des TSV Bayer 04, geht am Donnerstag in Peking als Staffelläuferin an den Start.

 

 

Leverkusen - In loser Folge stellt der „Leverkusener Anzeiger / Kölner Stadt-Anzeiger“ Sportler und deren Betreuer vor, die an den Olympischen Spielen bis 24. August beziehungsweise an den Paralympics (6. bis 17. September) in Peking teilnehmen. Diesmal: Mareike Peters. Die Sprinterin des TSV Bayer 04 ist Mitglied der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel.

Eine Begebenheit wird Mareike Peters wohl ihr Leben lang in Erinnerung bleiben - obwohl sie schon viele Jahre zurückliegt. Es ist der Tag, an dem ihre damalige Freundin Geburtstag feiert, in großem Stil. Als all die Geschenke geprüft, die leckeren Kuchen angeschnitten und die Festivitäten in vollem Gange sind, hört die muntere Gesellschaft plötzlich eine Stimme. „So, ich muss jetzt gehen“, sagt Mareike.

Was folgt sind kurze Stille, erstaunte wie fragende Blicke und schließlich die eingehende Bitte des Geburtstagskindes, doch noch etwas zu bleiben. Die neunjährige Mareike aber ist nicht zu stoppen, verabschiedet sich höflich, schnappt ihre mitgebrachte Sporttasche und geht - zum Training. „Ich war damals schon ehrgeizig und pünktlich. Das bin ich auch heute noch“, erzählt die Sportlerin.

Mareike Peters kam am 9. Januar 1986 in Aurich zur Welt. In der kleinen Stadt im Herzen Ostfrieslands verbringt sie eine schöne Kindheit. Die Oma und der viel zu früh verstorbene Opa führen einen kleinen Bauernhof. Enten und Gänse watscheln durchs Gelände, Hühner gackern und Kühe grasen auf der Weide. Als eine von ihnen kalbt, gerät die kleine Mareike ob des vierbeinigen Nachwuchses derart ins Schwärmen, dass die Oma sagt: „So mein Mädchen, das weiß-braune Kälbchen ist jetzt Deines.“ Täglich, immer nach der Rückkehr aus dem Kindergarten, geht es ab in den Stall. Ist das Kälbchen versorgt, tobt Mareike auf dem Heuboden oder flitzt durch den nahe gelegenen Wald. Sie war schon immer ein sportlicher Typ.

Bereits im zarten Alter von vier Jahren entdeckt sie ihre Liebe fürs Voltigieren und trainiert fleißig. Wenige Wochen nach der Einschulung soll Mareike dann mal beim SV Georgsheil vorbeischauen, auf Anregung der Mama. Der Verein steht für gute Nachwuchsarbeit, auch in der Leichtathletik. Und Angelika Peters ist vom Talent ihrer Tochter überzeugt. Die aber will nicht so recht. „Ich war immer zurückhaltend“, erzählt Mareike.

Es kostet sie schon einiges an Überwindung, aber dann geht sie zum Trainingsgelände, stellt sich vor und trainiert mit. Die Übungseinheiten machen Spaß. Zweimal die Woche erscheint sie fortan pünktlich auf der Bahn. Mareike ist ehrgeizig. Sie trainiert mit großer Begeisterung und wird immer schneller. Das spricht sich rund. Eines Tages fordert Kerstin, Schülerin einer anderen Klasse, Mareike während einer Pause zum Wettkampf heraus: „Komm, wir laufen gegeneinander“. Mareike, die Zurückhaltende, sagt spontan „Okay“, verliert zwar das Duell, gewinnt aber eine Freundin. Kerstin und Mareike gehen seither gemeinsam durch dick und dünn.

Schicksalsschlag

Zum Beispiel, als Mareikes vieljähriger Trainer einen Schlaganfall erleidet. Schnell zeigt sich, er wird das Talent nicht mehr betreuen können. Eine schwere Zeit für die Zwölfjährige. Aber da ist ja - neben ihrer Familie - Kerstin, sie steht ihr zu Seite. Bis heute besteht der Kontakt, regelmäßig telefonieren die beiden. Es dauert ein Weilchen, dann verstehen sich Mareike und ihr neuer Coach bestens. Die junge Sportlerin hat sich gegen das Voltigieren und für die Leichtathletik entschieden, will mehr trainieren als bisher - unbedingt. Der Trainer unterstützt sie dabei. Enno und Angelika, die Eltern, auch.

Beeindruckend

Vier, mitunter sogar fünf Mal pro Woche kommt die Realschülerin zur Sportanlage, trainiert bei Wind und Wetter unter freiem Himmel. Eine Halle gibt es beim SV Georgsheil nicht. Zu dieser Zeit fährt Dennis, der Sohn ihres Trainers, regelmäßig nach Leverkusen. Dennis ist Diskuswerfer und startet für den TSV Bayer 04. Ab und an nimmt der junge Mann Mareike mit zu den Übungseinheiten. Die ist total beeindruckt von den Bedingungen bei diesem Verein am Rhein, von der Anlage an der Kalkstraße mit ihrer imposanten Halle. Im Januar 2002, beim Abendbrot, tischt Mareike daheim nicht nur das Essen auf. Urplötzlich, ähnlich überraschend wie damals beim Kindergeburtstag, sagt die 16-Jährige: „Ich möchte nach Leverkusen ziehen und für Bayer 04 starten“.

Zunächst scheinen die Eltern den Wunsch nicht ernst zu nehmen. Aber die Realschülerin bleibt hartnäckig, leistet vehement Überzeugungsarbeit. Schließlich stimmen Enno und Angelika zu und helfen, wo sie nur können. Gemeinsam geht es nach Leverkusen auf Wohnungssuche, gemeinsam werden die Verhandlungen mit dem Verein geführt. Ein wesentlicher Bestandteil, die Möglichkeit der Ausbildung zur Bürokauffrau bei der Bayer AG. Im Spätsommer 2002 ist die Zeit des Abschiednehmens gekommen. Mareike verdrückt das eine oder andere Tränchen. Und auch Jule ist traurig. Jule, die so geliebte Hundedame, ein Retriever-Mischling, gehört seit 2000 zur Familie - und kann nicht mit nach Leverkusen. In der neuen Umgebung dauert es, bis Mareike, die Zurückhaltende, Anschluss findet. „Aber das war für mich kein großes Problem. Ich kenne mich ja“, sagt sie und lächelt. Die junge Sportlerin profitiert von den optimalen Trainingsbedingungen in Leverkusen. Unter Anleitung des erfolgreichen Nachwuchscoachs Manfred Fink steigert sie ihre Zeiten über 100 Meter und gehört zu den schnellsten B-Jugendlichen in Deutschland.

Im November 2003 ein Rückschlag. Mareike erleidet einen Kapselriss im rechten Fuß. Die Ergebnisse der ersten Wettkämpfe im folgenden Jahr sind zunächst gut. Plötzlich zeigt die Leistungskurve nach unten. Sie eilt von einem Mediziner zum anderen, denkt, der Kapselriss habe Schuld. Doch es tritt keine Besserung ein. Stattdessen herrscht Ratlosigkeit. Während dieser Zeit hilft der elterliche Zuspruch, vor allem der von Mama Angelika. Erst 2005 wird bei Mareike das Pfeiffersche Drüsenfieber diagnostiziert. Sie nimmt drei Wochen Antibiotika.

Zwei Jahre Leid

Es geht wieder bergauf. Zwei Jahre psychisches und physisches Leid haben ein Ende. Im Sommer 2006 schließt sie ihre Ausbildung zur Bürokauffrau ab und macht sportlich auf sich aufmerksam. Die 20-Jährige läuft die 100 Meter in 11,80 und die 200 Meter in 24,07 Sekunden. 2007 fährt sie als Jahresbeste über 200 Meter zu den Deutschen Hallenmeisterschaften. In Leipzig erreicht sie im Vorlauf mit 23,59 Sekunden persönliche Bestzeit, steigert sich im Finale sogar auf 23,50 Sekunden und wird Vizemeisterin. „Dieses tolle Erlebnis werde ich nie vergessen“, erzählt sie und dabei huscht ein kurzes Lächeln über ihr Gesicht. Zu jener Zeit verschwendet die mittlerweile von Karl-Heinz Düe trainierte Sportlerin noch keinen Gedanken an die Olympischen Spiele. Sie richtet alle Konzentration auf die anstehende Sommersaison. Bei der U-23-Europameisterschaft gewinnt die Leverkusenerin mit der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel die Silbermedaille. Die starken Leistungen steigern ihr Selbstbewusstsein und helfen zudem beruflich weiter.

Grundausbildung

Am 1. Oktober darf sie ihre Grundausbildung zur Sportsoldatin antreten. Zwei Monate geht es in der Nähe von Hannover hammerhart zur Sache. Fünf Uhr morgens raus, 23 Uhr abends todmüde ins Bett. Aber Mareike Peters ist ehrgeizig - wie eh und je - und schon auf dem Weg nach Peking. Nur, sie weiß es zu dieser Zeit noch nicht.

Bei der Deutschen Hallenmeisterschaft 2008 belegt die Sprinterin im Bayer-Trikot erneut Platz zwei, mit der Leverkusener Staffel gewinnt sie den Meistertitel. Erste Andeutungen des Vereinstrainers folgen. Alles ist möglich. Mareike träumt von Peking. In der Freiluftsaison gewinnt sie über 200 Meter ihren ersten Einzeltitel und löst das Ticket für die Olympischen Spiele. Am Donnerstag ist es soweit. Ein Traum geht in Erfüllung. Dann geht Mareike als Mitglied der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel im Vogelnest von Peking an den Start. Mareike Peters, die zurückhaltende Ostfriesin, die aus dem beschaulichen Aurich hinaus zog, in die große weite Welt des Sports.


Trainingsgruppe 3
Trainingsgruppe 3